In der Reihe Perspektiven geben Studierende erste kleine Einblicke in ihre Forschungsarbeiten zu dem aktuellen Projekt der Reihe „Aus den Akten auf die Bühne“. Die szenische Lesung zum Projekt „Eine Stadt im Krieg: Bremen 1914–1918“ wird Anfang 2013 auf die Bühne kommen. Heute stellt Larena Schäfer ihre Recherchen über die „Liebesgaben“ als Unterstützung für die Soldaten im Krieg vor.
Messer, Blei und Ansichtskarten, Pfefferminz und Schokoladen, Strümpf‘ aus Wolle, zart und fein, Gestrickt von lieben Händchen klein. Pfeif und Tabak noch dazu Hei! Wie braut die Pfeif im Nu Alle diese Liebesgaben Sandten uns die Bremer Damen. Habt Dank, Ihr lieben deutschen Frauen Und schenkt uns weiter das Vertrauen „Ist unsere Flotte zwar noch klein, Wir werden doch die Sieger sein.“ Es wünscht Euch jetzt ein frohes neues Jahr – O. G. von S. M. S. „…“
(aus: Bericht über die Tätigkeit der Abteilung Liebesgaben des Zentral-Hilfs-Ausschusses vom Roten Kreuz in Bremen . über die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 1914, Carl Schünemann, Bremen, S. 30, StAB 9,S 9-7 A. III. 1.-6.)
Ein Bremer Marinesoldat bedankt sich in diesem Gedicht für sogenannte Liebesgaben, Geschenke, welche er zur ersten Weihnacht während des Krieges erhielt. Sie wurden nicht vereinzelt, sondern organisiert und „im großen Stil“ vom „Zentral-Hilfs-Ausschuß“ des Roten Kreuzes gesammelt und in die Kriegsgebiete versendet. Allein im Dezember 1914 verließen 19 Waggons mit Liebesgaben die Gepäckhallen des norddeutschen Lloyd an der Gustav-Deetjen-Allee.
Die Aufzählung im Gedicht lässt darauf schließen, dass sich in diesen Sendungen nicht nur warme Kleiderstücke oder Genussmittel befanden, sondern auch Gebrauchsgegenstände und Lesestoff. Besonders zu Weihnachten, dem Fest der Liebe und der Familie, bekamen diese materiellen Spenden eine besondere Bedeutung. Darstellungen des Roten Kreuzes überhöhten sie zum emotionalen Bindeglied zwischen Front und Heimatstadt. Die Bremer Geschenke symbolisierten das Vertrauen der Bevölkerung in die kämpfenden Truppen; der Soldat verspricht im Gegenzug den Sieg. Die Liebesgaben nahmen auf diese Weise eine zentrale ideologische Funktion in der Kriegspropaganda des Roten Kreuzes ein und beeinflussten massiv das Pflichtbewusstsein der „Heimatfront“. Darüber hinaus konnte in Form von „schriftlichen Liebesgaben“ auf die moralische Haltung der Bremer Soldaten an der Front Einfluss genommen werden. Diese wechselseitige, propagandistische Beziehung und die konkrete Liebesgabenpraxis im Laufe des Krieges sind die zentralen Aspekte.
Larena Schäfer