Am Mittwoch, 25. April 2012, veranstalteten wir gemeinsam mit der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen einen Gastvortrag: Christine Bartlitz, M.A. vom Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam berichtete über ihr spannendes Projekt: „Kudamm `31. Eine unerhörte Geschichte. Audiowalk auf den Spuren eines Pogroms.“
Gemeinsam mit Studierenden der FU Berlin und dem Dramaturgen Sebastian Brünger hat Christine Bartlitz einen Audiowalk zu dem Pogrom in Berlin 1931 entwickelt. In diesem Audiowalk erfahren die Hörerinnen und Hörer alles „über den Abend des 12. September 1931, den Tag des jüdischen Neujahrsfestes, an dem Hunderte von jungen Nationalsozialisten sich auf dem Kurfürstendamm versammelten und „jüdisch aussehende“ Passanten angriffen und verprügelten. Prozessakten berichten von der marginalen juristischen Aufarbeitung des Verbrechens, zeitgenössische Texte und Töne erzählen von Stimmungen und Machtverhältnissen am Ende der Weimarer Republik, Experten erläutern die Umstände der Gewalttat. Gewagt wird auch ein Blick in die Gegenwart: jüdisches Leben am Kurfürstendamm und Formen von Antisemitismus im Jahr 2012 – rund 80 Jahre nach einem fast vergessenen Pogrom im „goldenen Westen“ von Berlin.“ (http://kudamm31.com) In dem Vortrag wird sie über die Konzeption und Umsetzung dieses spannenden Projektes berichten.
Ein Bericht vom Vortrag:
Die Begeisterung ist Christine Barlitz, Historikerin am Potsdamer Zentrum für Zeitgeschichtliche Forschung, anzumerken, als sie im Handschriftenlesesaal der Bremer Staats- und Universitätsbibliothek ihr Projekt Kudamm ´31 vorstellt.
„Wir wollten die Ereignisse vom 12.09.1931 zurück ins aktive Erinnern bringen“, beschreibt die Absolventin der Universität Bremen die Entstehung der Idee, einen Audiowalk am Kurfürstendamm in Berlin zu erstellen. Die zeitgenössisch als „Kurfürstendammkrawalle“ bekannten Ereignisse des 12. September 1931, dem jüdischen Neujahrsfest, gipfelten in Angriffen mehrerer Hundert SA-Angehöriger auf jüdisch aussehende Passanten und Passantinnen am Kurfürstendamm. Ein Eingreifen der Polizei erfolgte spät, die Haftstrafen der verurteilten Täter wurden in zweiter Instanz aufgehoben.
Das Vergessen dieses ersten, frühen Pogroms gegen Juden in Berlin zu verhindern, hat sich Barlitz zusammen mit 12 Studentinnen des Masterstudiengangs Public History der FU Berlin zum Ziel gesetzt. Für die 46 Hörstücke, jedes zwischen drei und acht Minuten lang, arbeiteten die Studentinnen sich durch Prozess- und Polizeiakten, stellten Nachforschungen an und interviewten mit Siegbert Veit sogar einen Zeitzeugen, der heute in Chicago lebt, und damals im Restaurant seiner jüdischen Eltern die Ereignisse live miterlebte. Andere Aussagen, zum Beispiel aus den Gerichtsakten, wurden mit Hilfe professioneller Sprecher und Sprecherinnen in einem Tonstudio zu kurzen Hörstücken verarbeitet. Um den interessierten Zuhörern einen Eindruck von den damaligen Gegebenheiten am Kurfürstendamm zu geben, sind alle Audioteile ortsgebunden, d.h. man kann diese nur in einem bestimmten Radius um den Originalschauplatz herum anhören. Dafür werden die App, die zum Beispiel von der Homepage des Projektes heruntergeladen werden kann, und ein Smartphone benötigt. Per GPS wird der Standort auf dem Kurfürstendamm ermittelt, die Audiodateien in der Nähe angezeigt und, sobald man sich im Radius des Originalschauplatzes befindet, abgespielt.
Die Weiterführung des Projektes ist trotz der sehr positiven Resonanz allerdings offen. Barlitz und die Studentinnen, die das Projekt quasi in ihrer Freizeit auf die Beine gestellt haben, werden in Zukunft zwischen Masterarbeiten und beruflichen Verpflichtungen weniger Zeit für die Weiterführung des Projektes aufbringen können. Eine Lösung steht noch aus.
Der bereits erarbeitete Audiowalk kann jedoch weiterhin angehört werden. Er ist im Internet unter http://kudamm31.com/ zu finden.