Neue Termine im Frühjahr 2020

Die Projektreihe „Aus den Akten auf die Bühne“ ist eine Kooperation der Universität Bremen und der bremer shakespeare company. Seit 2007 wird historische Forschung in szenischen Lesungen auf die Theaterbühne gebracht.

Das Besondere: Wissenschaft und Kunst gehen Hand in Hand. Geschichtsstudierende forschen unter Anleitung von Dr. Eva Schöck-Quinteros zu Themen (nicht nur) der Geschichte Bremens in Archiven und Bibliotheken und transkribieren historische Dokumente. Ihre Forschungsergebnisse werden in den Begleitbänden zu den Lesungen veröffentlicht. Regisseur Peter Lüchinger destilliert aus den häufig vielen hundert Seiten Material eine szenische Lesung, die er mit den Schauspielerinnen und Schauspielern der bremer shakespeare company auf die Bühne bringt.

In der Regel finden unsere Veranstaltungen im Theater am Leibnizplatz in Bremen statt. Reservieren Sie direkt bei der bremer shakespeare company: www.shakespeare-company.com.

Doch spielen wir auch 2020 wieder an vielen anderen Orten in der Region und darüber hinaus. Bitte achten Sie auf dem angehängten Flyer auf die genannten Veranstaltungsorte sowie die Hinweise auf weiterführende Informationen und Reservierungsmöglichkeiten!

Keine Zuflucht. Nirgends.
Die Konferenz von Èvian und die Fahrt der St. Louis (1938/39)

Nach dem „Anschluss“ Österreichs im März 1938 nahm die Verfolgung von Jüdinnen und Juden im Deutschen Reich immer mehr zu. Für viele war der einzige Ausweg die Flucht. Doch wohin?

US-Präsident Franklin D. Roosevelt lud zu einer internationalen Konferenz ein, die im Juli 1938 in Evian am Genfer See stattfand. Es wurde debattiert, diniert und um Einwanderungsquoten gefeilscht. Am Ende erklärte sich kein Staat bereit, seine Grenzen für die Verfolgten zu öffnen. Durch die Novemberpogrome verschärfte sich ihre Lage dramatisch.

Im Mai 1939 legte die St. Louis in Hamburg mit 937 Kindern, Frauen und Männern an Bord Richtung Kuba ab. Den Hafen von Havanna in Sichtweite wurde der St. Louis die Einfahrt verweigert. Auch die USA und Kanada lehnten die Aufnahme ab. Nach tagelangen Verhandlungen musste das Schiff beidrehen und zurück nach Europa fahren – einem ungewissen Schicksal entgegen.

Mi | 8. Januar 2020 | 19.30 Uhr
So | 2. Februar 2020 | 18.00 Uhr (mit anschließendem Publikumsgespräch)
Di | 21. April 2020 | 19.30 Uhr
im Theater am Leibnizplatz, Bremen

GASTSPIEL
Do | 12. März 2020 | 19.30 Uhr
im Theater Strahl, Berlin, Reservierung: www.theater-strahl.de

Bremen – Eine Stadt der Kolonien?

„Gebt uns unsere Kolonien wieder“, fordern die Bremer Nachrichten im April 1924. Schlagzeilen wie diese sind in der bürgerlichen Presse nach dem Verlust der Kolonien 1919 häufig zu finden. Doch welche Interessen hatten Männer und Frauen aus Bremen nach Afrika geführt? Wie begegneten sie dort der schwarzen Bevölkerung? Und wie verhielten sich Bremer und Bremerinnen gegenüber Afrikanerinnen und Afrikanern in der Hansestadt?

Die szenische Lesung schickt das Publikum auf eine Reise durch die koloniale Vergangenheit Bremens.

Di | 3. März 2020 | 19.00 Uhr
im Übersee Museum Bremen, Info: www.uebersee-museum.de

„Ich will dir so ein bißchen die Wahrheit schreiben.“
Aus den Briefen des Bremer Kaufmanns und Bataillonsfotografen Hermann Gieschen (1902-1951)

Hermann Gieschen ist 1941/42 zunächst in der Sowjetunion und später in den Niederlanden stationiert. In zahlreichen Briefen berichtet er zwischen Fürsorge, Angst und Entsetzen von der Front.

„Weißt Du, ich will Dir so ein bißchen die Wahrheit schreiben, wie es ist.“ Er erlebe so „allerhand Seltenheiten“ und 1941 berichtet er aus Litauen, er sei am Tag zuvor mit einem Exekutionskommando in einen Nachbarort gefahren: „Hier werden sämtliche Juden erschossen. Überall sind solche Aktionen in Gange. Männer, Frauen und Kinder, alles umgelegt.“

Die Briefe des Bremer Kaufmanns und Bataillonsfotografen sind einzigartige Dokumente der Binnensicht eines Polizeireservisten auf den Alltag des Polizeibataillons 105.

Mi | 11. März 2020 | 19.30 Uhr
in der Arbeitnehmerkammer Bremen, Info: www.arbeitnehmerkammer.de

Vom Eis Gebissen – Im Eis Vergraben
Geschichten aus der deutschen Polarforschung

Vor 150 Jahren, am 24. Mai 1868, brechen Kapitän Carl Koldewey und elf Mann Besatzung mit dem Segelschiff „Grönland“ in Richtung Arktis auf. Die Fahrt geht als erste deutsche Polarexpedition in die Geschichtsbücher ein. Im Juni 1869 startet Koldewey zu der zweiten Nordpolarexpedition. Diesmal stehen prominente Gäste am Pier von Bremerhaven und winken zum Abschied: König Wilhelm I., Minister-
präsident Bismarck, Kriegsminister Roon und Generalstabschef Moltke.

Was trieb die Polarforscher zu ihren riskanten Reisen in die Eiswüste? Mit welchen Erfahrungen und Erkenntnissen kehrten sie – wenn überhaupt – zurück? Wie veränderten die Ergebnisse ihrer Expeditionen unsere Vorstellungen von der Welt? Welche Interessen hatten Politik und Wirtschaft an der Polarforschung?

In der Lesung kommen Forscher wie August Petermann, Alfred Wegener, Johannes Georgi, Fritz Loewe und Ernst Sorge zu Wort und berichten: über ein Leben in Einsamkeit und Kälte, über Freundschaft und Konflikte, über die lange Trennung von ihren Familien und über die Bedeutung der vierbeinigen Begleiter.

Mi | 22. April 2020 | 19.30 Uhr
im Alfred-Wegener-Institut Bremerhaven, Info: www.awi.de

Flyer zum Download

Den gesamten Flyer mit allen Terminen und Informationen finden Sie: HIER (PDF, ca. 1,3 MB)

Neue Termine im Herbst 2019

Aufgrund der großen Nachfrage zeigen wir auch im Herbst an vier weiteren Terminen unsere Lesung „Keine Zuflucht. Nirgends.“ über die Konferenz von Évian und die Fahrt der MS St. Louis (1938/39):

Donnerstag, 5. September 2019
Sonntag, 6. Oktober 2019
Mittwoch, 6. November 2019
jeweils um 19.30 im Theater am Leibnizplatz

Sonntag, 22. September 2019
um 18.00 Uhr mit anschließendem Publikumsgespräch

Karten: www.shakespeare-company.com

Bundesverdienstkreuz für Eva Schöck-Quinteros

Macht heuchelt Mitgefühl (Kreiszeitung vom 26. April 2019)

„Aus den Akten“ thematisiert Flucht und Untätigkeit – damals wie heute

Macht heuchelt Mitgefühl

Bremen – Von Mareike Bannasch. Belgien würde sie ja gerne nehmen. Aber es sind schon so viele Flüchtlinge im Land – irgendwann muss es reichen. Das findet auch der Franzose Henry Bérenger, den die verzweifelte Lage der Menschen zwar schon irgendwie berührt, aber durchfüttern will Paris die Massen auch nicht. Bleibt nur noch Übersee: Doch die Amerikaner haben ihre Quote von 27 370 Einwanderern pro Jahr bereits ausgeschöpft. Und aufstocken geht auch nicht. Das kann der Präsident seinen Wählern nicht verkaufen.

Ausflüchte, die nicht etwa in einer aktuellen Sitzung des Weltsicherheitsrats zu hören waren. Nein, wie man sich möglichst höflich darum drückt, Verantwortung zu übernehmen, hatten die Mächtigen der Welt bereits vor 81 Jahren verinnerlicht. Damals, als sie am 6. Juli 1938 im idyllischen Evian zusammenkamen, um ein Komitee zu gründen, das die Emigration von Flüchtlingen aus Deutschland und Österreich erleichtern sollte. Nun ist dieses Treffen Teil der 15. Ausgabe der Reihe „Aus den Akten“ im Bremer Theater am Leibnizplatz. Sie trägt den Titel „Keine Zuflucht. Nirgends: Auf dem Land und auf dem Meer“ und thematisiert nicht nur die Konferenz von Evian, sondern bringt auch die Irrfahrt der MS St. Louis auf die Bühne.

Dort sitzen Simon Elias, Peter Lüchinger, Michael Meyer, Petra-Janina Schultz und Erika Spalke umgeben von Koffern aus verschiedenen Jahrzehnten und lesen aus Schriftwechseln, Zeitungsartikeln und Tagebucheintragungen rund um die Konferenz vor. Dokumente, die eindrucksvoll belegen, wie sich der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt angesichts der Eskalation des Juden-Hasses in Nazi-Deutschland zum Handeln genötigt sah. Immerhin waren es im Jahr 1938 Tausende Menschen, die versuchten, sich in Nachbarländern und Übersee in Sicherheit zu bringen. Männer, Frauen und Kinder, die zuvor jahrelang – oder im Fall Österreichs wochenlang – öffentlichen Demütigungen, Gewalt und Enteignung ausgesetzt waren.

So viel Leid macht auch den Mann im fernen Washington betroffen, allerdings nicht so sehr, als dass er sich dem Führer und seinen Schergen in Berlin entgegengestellt hätte. Nein, nicht mal die Begriffe Juden oder Nazi-Deutschland fallen in Evian, stattdessen ist vage von Flüchtlingen und Herkunftsland die Rede. Eine diplomatische Zurückhaltung, die nicht nur der „Völkische Beobachter“ hämisch kommentiert. Das Propagandablatt findet auch zum Ergebnis der Konferenz harte Worte: „Keiner will sie haben.“ Richtig, denn das Boot ist leider voll, Sie wissen schon.

Damit das auch so bleibt, verschärfen fast alle vertretenen Länder in den kommenden Monaten ihre Einreisevorschriften. Nicht nur, dass die Juden ein Visum ihrer neuen Heimat brauchen, nein, sie sollen auch noch Geld mitbringen. Viel Geld. Dumm nur, dass die Nazis sie wie Weihnachtsgänse ausgenommen haben – und den Menschen nun die finanziellen Mittel fehlen, um zu entkommen. Trotzdem versuchen sie natürlich alles: beantragen ständig neue Papiere, lassen Beziehungen spielen und kratzen das letzte Geld zusammen.

So wie die 937 Menschen, die am 13. Mai 1939 auf der MS St. Louis in Richtung Havanna in See stechen. 14 Tage soll sie dauern, die Reise in ein neues, sicheres Leben. Ein Traum, der in etlichen Tagebucheintragungen beschrieben wird und vor der Küste Kubas ein jähes Ende findet. Denn Präsident Federico Laredo Brú hat kurz vor der Abreise der St. Louis in Hamburg erneut die Regeln geändert, was tagelanges Warten in Sichtweite winkender Freunde und Verwandter nach sich zieht. Von Bord dürfen schließlich 28 Menschen. Der Rest schippert weiter übers Meer und erinnert an die Hilfsschiffe dieser Tage, die mit Geflüchteten vollbepackt auf der Suche nach Aufnahme im Mittelmeer umher fahren.

Die Passagiere der St. Louis werden schließlich auf die Niederlande, Belgien, Frankreich und Großbritannien aufgeteilt. Und fallen damit zu einem Großteil doch wieder den Nazis in die Hände, 254 von ihnen werden den Zweiten Weltkrieg nicht überleben. Darunter etliche Kinder, deren Namen und Alter in den Schlussminuten dieses höchst eindrücklichen Abends verlesen werden. Danach Schwärze, minutenlange Stille – und eine bittere Erkenntnis: Die Menschheit hat nichts dazugelernt. Gar nichts.

Kreiszeitung vom 26. April 2019
https://www.kreiszeitung.de/kultur/macht-heuchelt-mitgefuehl-12227977.html

Gastspiel im Bremer Focke-Museum

„Aus Gründen der inneren Sicherheit des Staates“
Ausweisung, Verfolgung und Ermordung des Bremer Arbeiters Johann Geusendam (1886-1945)

Dienstag, 14. Mai 2019
Focke-Museum, Bremen

Im Mittelpunkt der Lesung steht das Leben des Arbeiters Johann Geusendam (1886-1945), dessen Ausweisungsverfahren noch im Kaiserreich (1909) beginnt und schließlich am Ende der Weimarer Republik (1931) vollzogen wird. Zwangsmigration, Verfolgung und Widerstand prägten von da an das Leben Johann Geusendam. Nach seiner Ausweisung ging die Familie nach Enschede. Von dort aus organisierte Geusendam die Fluchthilfe für Emigranten aus Deutschland. 1940 wurde er von der Gestapo in Enschede verhaftet und durchlebte den Terror des NS-Strafsystems: Schutzhaft in Münster, Verurteilung durch den Volksgerichtshof in Berlin, Haft im Zuchthaus Brandenburg–Görden und 1944 schließlich Transport nach Süddeutschland in das Arbeitshaus Schloss Kaltenstein. Dort starb er im April 1945.

In Geusendams Bremer Jahren war der Fall „Johann Geusendam und Familie“ – wie kein zweiter – Gegenstand leidenschaftlicher Debatten in der Bremischen Bürgerschaft. In dem Konflikt um diese Ausweisung wird das Kräfteverhältnis zwischen Senat und bürgerlichen Parteien auf der einen und den Arbeiterparteien auf der anderen Seite immer wieder neu vermessen. Fragen von unverminderter Aktualität werden aufgeworfen, zum Beispiel: Wie lange bleibt ein Mensch Ausländer?

Die Lesung entstand als zweites Projekt der Reihe „Aus den Akten auf die Bühne“ 2008. Sie wird nun im Rahmen des Begleitprogramms zur Ausstellung „Experiment Moderne“ im Focke-Museum erneut aufgeführt.

14. Mai 2019, 19.00 Uhr, Focke-Museum
Karten: 13 €, ermäßigt 6 €

Reservierung unter 0421-699 600-50

Neue Lesung: „Keine Zuflucht. Nirgends.“

Auf der Suche nach einem sicheren Hafen kreuzen Schiffe mit Geflüchteten an Bord über Flüsse und Meere. 32 Staaten beraten zehn Tage lang über die Aufnahme von Verfolgten – doch sie handeln nicht, am Ende gibt es nur Lippenbekenntnisse. Kein Staat will ihnen Zuflucht gewähren.

Nach dem „Anschluss“ Österreichs im März 1938 nahm die Verfolgung von Jüdinnen und Juden im Deutschen Reich immer mehr zu. Für viele war der einzige Ausweg die Flucht. Doch wohin?
US-Präsident Franklin D. Roosevelt lud zu einer internationalen Konferenz ein, die im Juli 1938 in Evian am Genfer See stattfand. Es wurde debattiert, diniert und um Einwanderungsquoten gefeilscht. Am Ende erklärte sich kein Staat bereit, seine Grenzen für die Verfolgten zu öffnen. Durch die Novemberpogrome verschärfte sich ihre Lage dramatisch.
Im Mai 1939 legte die St. Louis in Hamburg mit 937 Kindern, Frauen und Männern an Bord Richtung Kuba ab. Den Hafen von Havanna in Sichtweite wurde der St. Louis die Einfahrt verweigert. Auch die USA und Kanada lehnten die Aufnahme ab. Nach tagelangen Verhandlungen musste das Schiff beidrehen und zurück nach Europa fahren – einem ungewissen Schicksal entgegen.

TERMINE

Donnerstag, 25. April 2019
Sonntag, 28. April 2019
Samstag, 18. Mai 2019
Dienstag, 28. Mai 2019
Dienstag, 4. Juni 2019
Mittwoch, 26. Juni 2019

jeweils 19.30 Uhr
Theater am Leibnizplatz

KARTEN

13 Euro / erm. 6 Euro
www.shakespeare-company.com
0421 / 500 333

Das Projekt „Keine Zuflucht. Nirgends“ ist Preisträger im Wettbewerb „Theater Macht Geschichte“ (2018) der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ und des Theaters der Jungen Welt Leipzig.

Flyer zum Download: HIER.

Neue Lesung: Revolution 1918/19 in Bremen

Revolution 1918/19 in Bremen.
„Das ganze Deutsche Reich steht heute gegen uns…“

Das Jahr 1918 markiert in unserer Erinnerungskultur nicht nur das Ende des Ersten Weltkriegs, sondern auch den Beginn der ersten deutschen Demokratie. Diese Umbruchszeit steht im Mittelpunkt der neuen szenischen Lesung aus der Reihe „Aus den Akten auf die Bühne“: Revolution, Räterepublik und Konterrevolution prägen die Jahre 1918 und 1919 – auch in Bremen. Worum geht’s?

9. November 1918: Der Arbeiter-und Soldatenrat Bremens erklärte: „Was hat sich ereignet? Nichts Geringeres als eine Revolution.“ Ihr Ziel sei die Aufhebung jeder Art von Unterdrückung, die sich gegen eine Klasse, eine Partei, ein Geschlecht oder eine Rasse richte, und der Aufbau der sozialistischen Gesellschaft.

12. November 1918: In dem Aufruf des Rats der Volksbeauftragten in Berlin an das deutsche Volk wurden verschiedene – heute selbstverständliche – (sozial)politische Reformen verkündet: uneingeschränktes Vereins-und Versammlungsrecht; Abschaffung der Zensur; freie Meinungsäußerung; Achtstundentag; allgemeines, gleiches, geheimes, direktes Wahlrecht für Männer und Frauen.

15. November 1918: Der Arbeiter- und Soldatenrat hat die Ausübung der politischen Gewalt im Bremer Staatsgebiet übernommen: „Senat und Bürgerschaft bestehen nicht mehr“.

Nach einem überwiegend friedlichen Beginn der Revolution eskalierte nur knapp drei Monate später die Gewalt auch in Bremen, als die Division Gerstenberg zusammen mit dem Freikorps Caspari in die Hansestadt einmarschierte. Mindestens 83 Frauen, Kinder und Männer kamen während der Kämpfe am 4. Februar 1919 ums Leben. Einen Tag später informierte die von der Reichsregierung eingesetzte provisorische Regierung die Bevölkerung Bremens, dass alle Räte abgeschafft seien.

In der szenischen Lesung werden wichtige Stationen dieser Entwicklung aus der Sicht der verschiedenen Akteur*innen vorgestellt und die Auseinandersetzung zwischen Arbeiterschaft und Bürgertum bis zu den „Stacheldraht-Ostern“ verfolgt.

 

Szenische Lesung mit der bremer shakespeare company

26. November 2018 (Premiere)
28. November 2018
3. Dezember 2018
19.30 Uhr | Theater am Leibnizplatz

16. Dezember 2018
18.00 Uhr | Theater am Leibnisplatz
Anschließend Diskussion mit Prof. Mark Jones (Dublin)

20. Januar 2019
18.00 Uhr | Theater am Leibnisplatz
Anschließend Diskussion mit (N.N.)

Karten
13 Euro | 6 Euro erm.
bremer shakespeare company
www.shakespeare-company.com
Tel.: 0421 500 333

 

Gastspiel im Centrum Judaicum (Berlin)

Wie gehen deutsche Behörden mit Geflüchteten um? Und wie wir über sie in der Öffentlichkeit berichtet? Diese Fragen sind seit einigen Jahren omnipräsent – wieder einmal. In unserer Lesung „Geflüchtet, unerwünscht, abgeschoben – ‚Lästige Ausländer‘ in der Weimarer Republik“ aus dem Jahr 2016 gehen wir der staatlichen und medialen Stereotypisierung und Stigmatisierung in der ersten deutschen Demokratie auf den Grund. Wir freuen uns sehr, dass wir nun mit der höchst aktuellen Inszenierung von der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum zu einem Gastspiel nach Berlin eingeladen wurden.

Die szenische Lesung findet am Montag, 15. Oktober 2018 um 18 Uhr im Großen Saal statt. Der Eintritt ist frei. Um Anmeldung wird gebeten: presse@centrumjudaicum.de oder Tel.: 030/ 88028316. Einlass ist ab 17 Uhr, Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum, Oranienburgerstraße 28-30, 10117 Berlin.

Der Flüchtlingsbewegung aus Osteuropa nach dem Ersten Weltkrieg begegnen weite Teile der deutschen Politik und Gesellschaft ablehnend – auch in Bremen. Forderungen nach Schließung der Grenzen, nach Abschiebung von Flüchtlingen oder Einrichtung von Internierungslagern werden immer lauter, das Reden über »Ausländerflut«, »Überfremdung« und »lästige Ausländer« ist weit verbreitet. Wer ist »nützlich« und darf bleiben, wer ist »lästig« und muss gehen? Diese Zuschreibungen entscheiden über die Zukunft der Geflüchteten.

Die Lesung präsentiert Dokumente, die einen Einblick vermitteln in die Debatte über die Zuwanderung aus Osteuropa. Sie zeigen, wie der Bremer Senat Ausweisungen und Abschiebungen von Geflüchteten praktiziert hat. Auch der Umgang mit den russisch-jüdischen Familien, die Ende 1923 in der Hansestadt strandeten, als die USA die Erfüllung der Quote für solche ImmigrantInnen verkündeten, wird dokumentiert.

Neues Projekt: „Keine Zuflucht. Nirgends.“

MS St. Louis im Hafen von Havanna

„Während die Europäer geradewegs gen Evian schlafwandeln, sollten sie wenigstens wissen, dass sie es tun. Und eine vereinte Anregung zum Aufwachen unternehmen.“ (Göran Rosenberg: Flüchtlinge aus Deutschland, in: Tagespiegel, 25.8.2015)

Keine Zuflucht. Nirgends: Im Juli 1938 können sich Delegierte von 32 Staaten auf der von Präsident Roosevelt initiierten Konferenz in Evian nicht auf die Aufnahme von 500.000 deutschen und österreichischen Staatsbürger*innen jüdischen Glaubens einigen. Über das Versagen der Staatengemeinschaft berichten viele Journalisten und Vertreter*innen jüdischer Organisationen wie zum Beispiel Golda Meir.
Neun Monate später, am 13. Mai 1939, legt die MS St. Louis vom Hamburger Hafen ab. An Bord sind 937 jüdische Kinder, Frauen und Männer. Ihr Ziel: Havanna. Doch nach ihrer Ankunft am 27. Mai verweigert ihnen die kubanische Regierung die Einreise. Am 2. Juni nimmt das Schiff nach erfolglosen Verhandlungen des Kapitäns Gustav Schroeder Kurs auf Miami. Ein paar Tage später erklären auch die USA, dass sie für die Geflüchteten verschlossen bleiben. 6. Juni: Letzter Ausweg ist die Rückfahrt nach Europa.
Am 17. Juni 1939 darf die St. Louis in Antwerpen anlegen. Die Passagiere werden auf Großbritannien, Belgien, Frankreich und die Niederlande verteilt. Viele von ihnen geraten nach der Besetzung durch die deutschen Truppen in die nationalsozialistische Vernichtungsmaschinerie, werden deportiert und in Konzentrationslagern ermordet.

Passagiere gehen in Hamburg an Bord der MS St. Louis

In dem neuen Projekt von “Aus den Akten auf die Bühne“ wird am Beispiel der Konferenz von Evian der Umgang der Staaten mit Migration und Flucht verhandelt. Zeugnisse der Fahrt der St. Louis und der Schicksale der Geflüchteten werden in der szenischen Lesung zum Sprechen gebracht.

Im Zentrum der Recherchen steht u.a. die Geschichte der Familie Rosenberg aus Bassum, die seit 1936 in Bremen lebte. Im August 1938 scheiterte ihre Flucht nach Argentinien, weil sie keine Einreisepapiere bekamen. Nur Tochter Gertrud (geb. 1919) erhielt im September 1938 ein Visum für die USA. Sie lebte bis zu ihrem Tod in New York. Ihr Vater Siegmund Selig Rosenberg wurde in der Reichspogromnacht verhaftet. Nach seiner Entlassung aus dem KZ Sachsenhausen versuchte er, auf der St. Louis nach Kuba zu gelangen. Nach der gescheiterten Flucht lebte er in Amsterdam, bis er von den Nationalsozialisten deportiert wurde. Vom Durchgangslager Westerbork führte sein Weg über Theresienstadt nach Auschwitz, wo er 1944 ermordet wurde. Seine Frau Frieda blieb in Bremen und wurde im November 1941 nach Minsk deportiert, wo sie wenig später starb. Über das Schicksal des Sohnes Helmut (geb. 1924) ist wenig bekannt. Sicher ist, dass er 1943 in Auschwitz ermordet wurde.

Gedenktafel an die Passagiere der MS St. Louis im Hamburger Hafen

Zur Geschichte der Familie Rosenberg wird ein Audiowalk mit und für Schüler*innen entstehen, der zu den Stolpersteinen an den Wohnorten der Familie in Bremen und Bassum führen wird. Außerdem werden Workshops speziell für Schulklassen entwickelt.

Das Projekt wird von der Stiftung EVZ (Erinnerung, Verantwortung, Zukunft) gefördert. Die Premiere ist für April 2019 geplant. Die  Aufführungen werden als Livestream online zu sehen sein.