Perspektiven (3): Bürgerliches Theater in Bremen 1914

In der Reihe Perspektiven geben Studierende erste kleine Einblicke in ihre Forschungsarbeiten zu dem aktuellen Projekt der Reihe „Aus den Akten auf die Bühne“. Die szenische Lesung zum Projekt „Eine Stadt im Krieg: Bremen 1914–1918“ wird Anfang 2013 auf die Bühne kommen. Heute stellt Rita Schulte ihre Recherchen über die Rolle des Bremer Theaters im Ersten Weltkrieg vor.

 

Das Bremer Stadttheater um 1932 (StAB 10,B-AL-175)

„Als danach aus dem dumpfen Trommelwirbel der Henker und hinterlistigen Feinde mächtig anschwellend sich Beethovens Siegessymphonie aufschwang und uns zum sicheren Bewusstsein empor trug, dass aus den blutigen Opfern der Einzelnen das Volk als Gemeinschaft des Vaterlandes ersteht, dass mit dem Untergang der tragischen Helden der Sieg der Ideen, für die sie fielen, die Sonne der Freiheit aufgehen muss, da fühlte jedermann im Theater die Macht der Dichtung und seiner ethischen Quellen so viel deutlicher, wie sonst in sorglosen friedlichen Zeiten. Der Beifall des Publikums war rauschend und wollte nicht enden.“ (Bremer Nachrichten vom 20.09.1914)

An vielen Orten im Deutschen Reich herrscht 1914 Kriegseuphorie. Auch im Bremer Theater, wenn man der Rezension von Goethes Egmont der Bremer Nachrichten glauben darf. Aber nicht nur das: Die Zeitung hebt im September 1914 die gelungene Inszenierung der Volksgemeinschaft auf der Bühne hervor. Nach Ansicht nicht nur des Rezensenten bestand der Auftrag des Theaters in jenen ersten Kriegswochen darin, die Volksgemeinschaft zu stärken und dem Krieg Sinn zu verleihen. Die Leiden und Opfer des Einzelnen werden über die Gemeinschaft erst sinnstiftend, er geht geradezu in ihr auf. Letzten Endes könne, deutet die Zeitung an, der Krieg erst durch die Volksgemeinschaft als sinnvolles Ereignis erlebt werden.

Das Theater übernahm für die Konstruktion der Volksgemeinschaft an der Heimatfront eine wichtige Funktion: In diesem öffentlichen Raum konnten und sollten die Menschen gemeinsam das  Gefühl erleben, zu einer großen Nation zu gehören. Hier erwartete das bürgerliche Publikum Stücke zu sehen, die dem (Selbst-)Verständnis einer nationalen Volksidentität entsprachen. Gleichzeitig entwickelten und bestätigten die Inszenierungen des bürgerlichen Theaters auch dieses Identitätskonstrukt. In den Aufführungen von Stadttheater und Schauspielhaus erlebte sich das Bremer Bürgertum als Führungsinstanz der Volksgemeinschaft.

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