Projekt

„Aus Gründen der inneren Sicherheit
des Staates…“

Diese Rechtfertigung staatlichen Handelns verfolgt Johann Geusendam bis zu seinem gewaltsamen Tod 1945. Zwangsmigration, Verfolgung und Widerstand prägen das Leben des Arbeiters, das in außergewöhnlichem Maße Gegenstand öffentlichen Interesses war. Im Kaiserreich und in der Weimarer Republik stand das Ausweisungsverfahren gegen den gebürtigen Holländer Geusendam mehrfach auf der Tagesordnung der Bremischen Bürgerschaft. Die Tageszeitungen berichteten ausführlich über die Debatten und über den Fall Geusendam.

Doch was war die Ursache für dieses Aufsehen um einen Arbeiter? Am Anfang ist es die ganz normale Geschichte einer Arbeiterfamilie auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen. Die Eltern Geusendam wanderte 1890, angezogen von der florierenden Tuchindustrie in Westfahlen, von Rijssen nach Ahaus – mit spärlichem Gepäck und ihrem vierjährigen Sohn Johann. Der junge Geusendam zog 1905 mit Katharina Cordes, seiner späteren aus dem Oldenburgischen stammenden Ehefrau, nach Bremen. Dort fing er an, sich in der Arbeiterbewegung zu engagieren. Er arbeitete in einer großen Stuhlrohrfabrik und beteiligte sich am Streik der Belegschaft zum 1. Mai 1908. Anschließend wurde Geusendam als „lästiger Ausländer“ aus Bremen ausgewiesen. Zur Geburt seines ersten Sohnes kehrte er illegal wieder nach Bremen zurück. Unter der Auflage, sich einwandfrei zu führen und für Frau und Kind zu sorgen, wurde seine Ausweisung von den Behörden vorläufig ausgesetzt. Seitdem stand Geusendam unter Beobachtung der politischen Polizei.

1922 sollte Geusendam wegen seiner aktiven Mitgliedschaft in der KPD erneut ausgewiesen werden. Auf dem Höhepunkt des Konflikts in der Bürgerschaft beschloss die Mehrheit der Abgeordneten, die Entscheidung des Senats aufzuheben. In seltener Geschlossenheit setzten sich die Arbeiterparteien für Geusendam und seine Familie ein, da die politische Gesinnung kein Grund der Ausweisung sein dürfte. 1931, nach 23 Jahren der Ungewissheit, wurde der Ausweisungsbefehl aus dem Jahr 1908 gegen den Bremer Arbeiter Geusendam und seine Familie vollstreckt. Damit hatten die Vertreter des Landes Bremen ihr hartnäckig verfolgtes Ziel erreicht: Geusendam verließ mit seiner Frau und den beiden Söhnen die Hansestadt und ging in die Niederlande.

Im Dritten Reich wurde die Verfolgung Geusendams aus Gründen der inneren Sicherheit des Staates fortgesetzt. Die Gestapo wurde 1935/36 auf Geusendam und dessen Tätigkeit an der deutsch-niederländischen Grenze aufmerksam. In Enschede organisierte Geusendam die Flüchtlingsarbeit der Roten Hilfe. Nach der Besetzung der Niederlande wurde er im Oktober 1940 von der Gestapo verhaftet und nach Münster verschleppt. In den folgenden fünf Jahren durchlebte Geusendam den Terror des NS-Strafvollzugs: Schutzhaft in Münster, 1942 Verurteilung durch den Volksgerichtshof in Berlin, Haft im Zuchthaus Brandenburg-Göhrden und 1944 schließlich der Transport nach Süddeutschland ins Arbeithaus Schloss Kaltenstein. Dort starb er am 6. April 1945 im Alter von 59 Jahren an Misshandlungen und Unterernährung – einen Tag bevor das Arbeitshaus durch französische Truppen befreit wurde.

1955 errichtete das Königreich der Niederlande Johann Geusendam ein Ehrengrab in Enschede.

Studierende der Universität Bremen haben in verschiedenen Archiven zu Johann Geusendam recherchiert und seine Biographie aus den Verhandlungen in der Bürgerschaft, aus Polizei- und Gerichtsakten rekonstruiert. Diese Akten aus drei politischen Systemen bringt die bremer shakespeare company in der szenischen Lesung zum Sprechen.