„Aus den Akten auf die Bühne“ bietet für Schulklassen Workshops zu verschiedenen Themen der Projektreihe an. Schülerinnen und Schüler sehen einen Ausschnitt aus einer szenischen Lesung und setzen sich anschließend mit den Quellen auseinander. Die Workshops können wir auch im Staatsarchiv Bremen abhalten und mit einer Einführung in das Archiv verbinden.
- Workshop: Der Fall Margarete Ries: Vom „asozialen“ Häftling in Ravensbrück zum Kapo in Auschwitz
- Workshop: Grund der Ausweisung: Lästiger Ausländer. Ausweisungen aus Bremen in den 1920er Jahren
- Workshop: Geflüchtet, unerwünscht, abgeschoben. „Lästige Ausländer“ in der Weimarer Republik
Haben Sie Interesse an einem der aufgeführten Workshops? Oder Sie interessieren sich für einen Workshop zu einem anderen Thema von „Aus den Akten auf die Bühne“? Dann schreiben Sie uns eine Mail an schule.sprechende-akten@uni-bremen.de
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Der Fall Margarete Ries: Vom „asozialen“ Häftling in Ravensbrück zum Kapo in Auschwitz
Bremer Hauptbahnhof, 13. Januar 1948: Die Wege der 18jährigen Feiga Berkmann, Überlebende des Konzentrationslagers Auschwitz, und Margarete Ries aus Magdeburg kreuzen sich. Berkmann erkennt in Ries den Kapo „Gretel“ aus Auschwitz und lässt Ries durch die Bahnhofspolizei verhaften. Ries soll in Auschwitz fünf Häftlinge – darunter Berkmanns ältere Schwester Rosa – getötet haben. Die amerikanische Militärregierung für Bremen nimmt Ermittlungen auf und verhört viele Zeuginnen.
Ries war im August 1939 als sogenannte „Asoziale“ in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück eingeliefert worden. Im Oktober 1942 kam sie mit einem Transport nach Auschwitz. Dort machte die SS Ries zu einem Funktionshäftling. Sie bewachte als Kapo jüdische Häftlinge. Ihr Fall zeigt eindringlich das Nebeneinander und die Vermischung von Opfer- und Täter-Sein.
In dem Workshop setzen sich die Schüler und Schülerinnen in Gruppenarbeit anhand von Verhörprotokollen und verschiedenen Fragestellungen mit dem Fall Margarete Ries auseinander. Sie lernen dabei, wie sorgfältig und kritisch sie Zeugenaussagen hinterfragen müssen. Abschließend sollen die Schüler und Schülerinnen das Handeln von Margarete Ries interpretieren, einordnen und beurteilen.
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Grund der Ausweisung: Lästiger Ausländer.
Ausweisungen aus Bremen in den 1920er Jahren
Mitte des 19. Jahrhunderts tauchte das Konstrukt des „lästigen Ausländers“ in der Behördensprache das erste Mal auf. In der Weimarer Republik wurde er in der amtlichen Terminologie zu dem Grund der Landesausweisung schlechthin. Wer oder was „lästig“ war, bestimmten die Behörden. Gegen die Ausweisung als „lästiger Ausländer“ gab es keine Rechtsmittel. Nur eine Beschwerde an den Bremer Senat konnte den Vorgang aufhalten, in seltenen Fällen auch abwenden.
Beschwerdeakten solcher Ausweisungsfälle sind im Staatsarchiv Bremen erhalten. Sie geben einen Einblick in den Umgang mit „Ausländern und Ausländerinnen“ in der Weimarer Republik. Der Workshop widmet sich verschiedenen Fragen zur Ausweisungspraxis: Mit welcher Begründung wurde jemand die Eigenschaft „lästig“ zugeschrieben? Wer setzte sich für diese Menschen und ihre Familien ein? Wie begründeten sie, dass sie in Bremen leben wollen? Wer wurde des Landes verwiesen und abgeschoben? Wie fand der Vollzug der Abschiebung statt? Wer wurde eingebürgert und durfte bleiben?
Anhand von Beschwerdeakten dieser „lästigen Ausländer“ untersuchen Schüler und Schülerinnen die Argumentationsmuster der Behörden und der Politik. Sie lernen, wie die Wahrnehmung und der Umgang mit Flüchtlingen – den „Anderen“ – in der ersten deutschen Republik war und welche Kontinuitäten es bis heute gibt.
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Geflüchtet, unerwünscht, abgeschoben. „Lästige Ausländer“ in der Weimarer Republik
„Flüchtlingsstrom gestaut“, „Überschwemmung mit Ostjuden“, „Konzentrationslager für Ausländer“ – so lauteten Titel in der deutschen Presse Anfang der 1920er Jahre.
Als Folge der politischen Veränderungen nach dem Ersten Weltkrieg, der Neuordnung der politischen Landkarte gab es in Europa ca. 10 Millionen Flüchtlinge, Vertriebene und Umsiedler. Der Flüchtlingsbewegung aus Osteuropa begegneten weite Teile der deutschen Politik und Gesellschaft ablehnend – auch in Bremen. Forderungen nach Schließung der Grenzen, nach Abschiebung von Flüchtlingen oder Einrichtung von Internierungslagern wurden immer lauter, das Reden über „Ausländerflut“, „Überfremdung“ und „lästige Ausländer“ war weit verbreitet. Der Aufenthalt der Geflüchteten in Deutschland blieb unsicher, da die Behörden sie als „lästige Ausländer“ ausweisen konnten. Wer war „nützlich“ und durfte bleiben, wer war „lästig“ und musste gehen? Diese Zuschreibungen entschieden über die Zukunft der Geflüchteten.
Im Mittelpunkt des Workshops steht der Umgang mit den Geflüchteten, den „lästigen Ausländern“ in der Weimarer Republik. Anhand verschiedener Ausweisungen aus Bremen, Artikeln aus der Presse und Schriftverkehr der Behörden aus dem Staatsarchiv Bremen und dem Bundesarchiv Berlin sollen die zeitgenössischen Reaktionen auf die Zuwanderung und Gemeinsamkeiten zur Gegenwart kritisch untersucht werden.